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Die Zinsen sinken. Warum steckt die europäische Bauwirtschaft noch immer in der Flaute?

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Fassadenspezialist Seele montiert die Oberlichter im künftigen Hauptbahnhof am Stuttgarter Hauptbahnhof Fassadenspezialist Seele montiert die Oberlichter im künftigen Hauptbahnhof am Stuttgarter Hauptbahnhof (Bild: IMAGO/Arnulf Hettrich via Reuters Connect)

Da das Rampenlicht fest auf den Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen gerichtet war, ist es Ihnen letzte Woche leicht möglich, eine wichtige Nachricht über den Zusammenbruch der deutschen Regierung zu verpassen.

Deutschlands umstrittener Bundeskanzler Olaf Scholz hat Finanzminister Christian Lindner unerwartet aus einer Dreierkoalition entlassen. Damit ist die Bühne für Neuwahlen in Deutschland im März 2025 bereitet.

Weitere politische Unruhen werden die Stimmung unter den Chefs der deutschen Bauunternehmen wohl kaum verbessern. Sie bleiben hinsichtlich der Aussichten für die Branche zutiefst pessimistisch. Dies geht aus einer Reihe neuer Umfragen hervor, die sich mit der Einschätzung der Baukäufer zur aktuellen Lage befassen.

Tatsächlich greift die Krise auch auf eine weitere große Volkswirtschaft Europas, Frankreich, über. Und das, obwohl der Kostendruck, der der Baubranche das Leben so schwer gemacht hat, nachzulassen scheint und die Europäische Zentralbank (EZB) im Oktober den Leitzins um 25 Basispunkte gesenkt hat.

Europäische Bauwirtschaft weiterhin in der Flaute

Die Bautätigkeit in der Eurozone war zu Beginn des vierten Quartals (Oktober) erneut rückläufig. Dies geht aus den neuen PMI-Umfragedaten der Hamburg Commercial Bank (HCOB) für die Region hervor.

Ein Wert von 43,0 (wobei 50,0 keine Veränderung bedeutet) auf dem HCOB Eurozone Construction PMI Total Activity Index war zwar besser als der im September verzeichnete Wert von 42,1 und stellte den langsamsten Rückgang seit Dezember 2023 dar, aber es war dennoch ein Produktionsrückgang.

Auch die Auftragseingänge gingen im gleichen Zeitraum zurück. Der Konjunkturrückgang in der Eurozone ist weiterhin breit angelegt, alle drei Teilsektoren des Baugewerbes – Gewerbebau, Tiefbau und insbesondere Wohnungsbau – sind rückläufig.

Die Tatsache, dass der Kostendruck auf die Bauunternehmen im Oktober nachgelassen hat und die Inputpreisinflation auf dem niedrigsten Stand seit Juli 2023 lag, dürfte eine gute Nachricht sein, ist aber auch ein Hinweis auf eine nachlassende Nachfrage.

Zudem sanken die Subunternehmertarife den zweiten Monat in Folge, während die Verfügbarkeit von Subunternehmern zwei Monate in Folge anstieg.

Laut der HCOB PMI Eurozone-Umfrage bleiben die Bauunternehmen in der Eurozone für das kommende Jahr pessimistisch und sehen weitere Aktivitätsrückgänge voraus. Die Stimmung ist im zweiten Monat in Folge erneut gesunken und liegt auf ihrem bisher niedrigsten Stand im Jahr 2024.

Grafik zeigt den PMI für das Baugewerbe der Eurozone bis Oktober 2024 Quellen: HCOB, S&P Global PMI.
Sorgenkind Deutschland

Besonders akut sind die Probleme nach wie vor in Deutschland, das Dr. Tariq Kamal Chaudhry, Ökonom beim HCOB, als „Sorgenkind“ der Eurozone bezeichnete.

Im Oktober kam es in Deutschland zu einem etwas stärkeren Rückgang der Aktivität und der Auftragseingänge sowie zu einer weiteren Entlassungswelle.

Der saisonbereinigte Index, der die Veränderungen der gesamten Industrieaktivität abbildet, fiel im Oktober auf 40,2. Das war zwar ein Rückgang gegenüber dem 16-Monats-Hoch vom September (41,7), aber auch dieser Wert war immer noch ein Indiz für einen Rückgang der Aktivität.

Den stärksten Rückgang verzeichnete erneut der deutsche Wohnungsbau, gefolgt vom gewerblichen Bau. Aber auch im Tiefbau beschleunigte sich der Rückgang im Oktober.

Die Umfrage berichtete von einem Rückgang beim Kauf von Baumaterialien sowie von einer deutlichen Verringerung der Inanspruchnahme von Subunternehmern. Die Verfügbarkeit von Subunternehmern hat sich verbessert und ihre Preise sind so stark gesunken wie seit 12 Jahren nicht mehr. Das deutet darauf hin, dass sie Schwierigkeiten haben, Arbeit zu finden.

Unterdessen ist die Stimmung unter den deutschen Bauunternehmen gedrückt – der zweitschwächste Stand im Oktober dieses Jahres. Sie gaben an, pessimistisch über den Zustand der Gesamtwirtschaft, die Kreditkosten und die politische Unsicherheit zu sein – und das schon vor dem Zusammenbruch der deutschen Regierung.

Jonas Feldhusen, Juniorökonom bei HCOB, kommentiert: „Der Abschwung in der deutschen Bauwirtschaft hat sich im Oktober verstärkt. Analysiert man den Aktivitätsindex, könnte man für die Sommermonate bis September eine zarte Trendwende erkennen. Die jüngsten Umfrageergebnisse widersprechen dieser Interpretation jedoch und zeigen leider, dass es noch keine nachhaltige Verbesserung der deutschen Bauwirtschaft gibt. Dieser Eindruck wird durch einen weiteren deutlichen Rückgang der Auftragseingänge im Oktober verstärkt.“

„Ein umfassendes Konjunkturprogramm würde der Industrie sicherlich zugutekommen. Ein robustes Programm, das Investitionssicherheit bieten kann, wird die derzeitige Regierung jedoch wahrscheinlich nicht auf den Weg bringen“, fügte er hinzu.

Letzte Woche hat die deutsche Bundesregierung Änderungen an der Bauordnung bekannt gegeben , um die regulatorische Belastung für Bauherren zu verringern - ein weiterer Bereich, in dem Bauunternehmen Änderungen gefordert haben. Das neue Gesetz soll Vorschriften zu Themen, die über die strukturelle Stabilität und den Brandschutz hinausgehen, weniger verbindlich machen.

Die Bundesregierung hat dem Gesetzentwurf zum „Bautyp-E-Gesetz“ zugestimmt, das laut Bundesbauministerin Klara Geywitz für Bürokratieabbau und Anpassungen im Vertragsrecht sorgen soll, um einfacheres und kostengünstigeres Bauen zu fördern.

Unabhängig davon hat die Regierung ein Leitfadendokument mit dem Titel „Einfach bauen“ fertiggestellt, das die Grundlage für die Zusammenarbeit beim Gebäudetyp E bildet.

„Unser Anspruch ist es, auch in Zukunft qualitativ hochwertige Gebäude zu errichten und dabei gleichzeitig schneller und günstiger zu werden, denn der Bedarf an Wohnraum ist weiterhin hoch“, so Geywitz.

Grafik zeigt den deutschen Bau-PMI bis Oktober 2024 Quellen: HCOB, S&P Global PMI, Eurostat
Frankreichs Wirtschaftsrückgang verlangsamt sich

Der Bau-PMI-Gesamtaktivitätsindex des HCOB für Frankreich blieb im Oktober im negativen Bereich – den 29. Monat in Folge.

Der Wert für den Monat lag bei 42,2, was allerdings eine beträchtliche Verbesserung gegenüber dem im September verzeichneten Wert von 37,9 darstellt und den geringsten Rückgang seit Mai signalisiert.

Sowohl im Wohnungsbau- als auch im Tiefbausektor kam es zu schwächeren Aktivitätsrückgängen, während die Aktivität im Wohnbau den geringsten Rückgang seit zehn Monaten verzeichnete.

Leider sei es im Oktober landesweit zu einer „deutlichen Verschlechterung“ der Nachfrage nach Bauleistungen gekommen. Es werde von weniger Ausschreibungen, Wettbewerb und geringeren Auftragseingängen seitens der öffentlichen Hand berichtet.

Dies hatte zur Folge, dass die französischen Bauunternehmen weniger Material einkauften und ihre Belegschaftskapazitäten so stark reduzierten wie seit Juli nicht mehr.

Dr. Chaudhry sagte: „Der französische Bausektor steckt weiterhin tief in der Krise, auch wenn sich das Tempo des Rückgangs im Oktober etwas verlangsamt hat. Der Tiefbausektor zeigt die größten Fortschritte in Richtung Stabilisierung, während der gewerbliche Bau weiterhin mit schwierigen Bedingungen konfrontiert ist. Besonders angespannt bleibt die Lage im Wohnungsbausektor, der von allen Teilsektoren nach wie vor die schwächste Leistung verzeichnet.“

Er gab eine eher pessimistische Einschätzung ab und warnte: „Es ist keine Hoffnung auf Wachstum in Sicht. Obwohl die französische Bauwirtschaft im Oktober eine spürbare Verlangsamung ihres Rückgangs verzeichnete, bleibt sie in einer prekären Lage. Die Auftragseingänge gingen rapide zurück und die Erwartungen für die zukünftige Entwicklung in den nächsten zwölf Monaten sind gedämpft.“

Grafik mit dem französischen Bau-PMI bis Oktober 2024 Quellen: HCOB, S&P Global PMI.

Italiens Konjunkturabschwung lässt nach

In Italien sieht das Bild etwas besser aus, da sich der Rückgang der Konjunktur und der Auftragseingänge verlangsamt hat. Der HCOB-Einkaufsmanagerindex für Italien im Baugewerbe stieg leicht von 47,8 im September auf 48,2 im Oktober.

Einige Unternehmen gaben an, dass der Rückgang der Aktivität seit Mai auf die gedämpfte Nachfrage im Baugewerbe zurückzuführen sei, während andere auf widrige Witterungsbedingungen verwiesen, die ihre Arbeitsleistung beeinträchtigt hätten.

Die Umfrageteilnehmer erwähnten außerdem, dass bei den Kunden weiterhin Unsicherheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage herrsche, die sich in gewissem Maße auf die Auftragseingänge auswirke.

Doch wie auch in anderen Regionen trug die geringere Nachfrage zu einer Abschwächung des Kostendrucks bei. Dieser stieg zwar im Oktober, allerdings so langsam wie seit fast viereinhalb Jahren nicht mehr.

„Erfreulich ist die Entwicklung der Auftragseingänge im italienischen Baugewerbe. Der Index bewegt sich nun knapp im Schrumpfungsbereich, was darauf schließen lässt, dass die Auftragseingänge im Oktober nicht so stark zurückgegangen sind wie in den Vormonaten. Allerdings halten sich die Kunden aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheit noch immer zurück, was die Unternehmen dazu veranlasst, ihre Einkaufsmengen weiter zu reduzieren“, so Feldhusen.

Grafik mit dem italienischen Bau-PMI bis Oktober 2024 Quellen: HCOB, S&P Global, ISTAT über S&P Global Market Intelligence

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Unternehmen müssen auf weitere Zinssenkungen warten

Der deutsche Bauindustrieverband hatte bereits zu Beginn dieses Jahres gegenüber Construction Briefing erklärt , dass er zur Linderung der sich in seiner Branche und in der gesamten Eurozone ausbreitenden Trübsal weitere Zinssenkungen anstrebt.

Dies könnte sich positiv auf die schwächelnden Wohnungsbaumärkte auswirken, insbesondere in Deutschland, Frankreich und den nördlichen Teilen Europas.

Doch nach der Senkung um 25 Basispunkte im Oktober könnte die Aussicht auf weitere Zinssenkungen in weiter Ferne liegen.

„Aus Sicht der Industrie wäre eine deutliche Zinssenkung durch die EZB in den kommenden Monaten zu begrüßen. Allerdings stieg die jährliche Verbraucherpreisinflation in der Eurozone im Oktober 2024 auf 2%, nach 1,7% im September. Angesichts der Inflationsrisiken wird die EZB wahrscheinlich mit Vorsicht vorgehen“, sagte Chaudhry.

Die EZB selbst drückte dies im vergangenen Monat bei ihrer Zinssenkung aus. Ihr EZB-Rat warnte: „Der EZB-Rat ist entschlossen, dafür zu sorgen, dass die Inflation zeitnah wieder ihr mittelfristiges Ziel von 2% erreicht. Er wird die Leitzinsen so lange wie nötig ausreichend restriktiv halten, um dieses Ziel zu erreichen.“

All dies könnte zumindest kurzfristig zu weiteren Unannehmlichkeiten für die Baubranche führen.

„Die Aussichten für die Bauwirtschaft bleiben düster. Die Auftragseingänge sind im Vergleich zum Vormonat erneut stark zurückgegangen und verharren damit weiterhin im Schrumpfungsbereich. Besonders besorgniserregend ist die rapide Verschlechterung der Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Wirtschaftsaktivität, die seit Beginn der Datenerfassung mit beispielloser Geschwindigkeit zurückgehen und sich nun auf einem extrem niedrigen Niveau befinden“, sagte Chaudhry in seinem Kommentar zu den jüngsten PMI-Zahlen für die Eurozone.

Aktivität in Großbritannien nimmt weiter zu

Im November senkte die Bank of England den Leitzins um 0,25 %, doch könnte das Tempo weiterer Zinssenkungen auch hier recht langsam ausfallen.

Der Unterschied zwischen Großbritannien und der Eurozone besteht darin, dass der S&P Global UK Construction PMI zeigt, dass die Aktivität dort immer noch zunimmt.

Und das trotz eines erneuten Rückgangs im Wohnungsbau in Großbritannien im Oktober. Der Tiefbau blieb das Segment mit der besten Performance, gefolgt vom gewerblichen Bau.

Der Gesamtindex verzeichnete im Oktober einen Wert von 54,3, ein Rückgang gegenüber 57,2 im September, und markierte damit den achten Wachstumsmonat in Folge.

Auch die Auftragseingänge verzeichneten ein solides Wachstum, wenngleich die Umfrageteilnehmer politische Unsicherheit und Lebenshaltungskosten als Faktoren nannten, die ein weiteres Wachstum der Auftragseingänge im September begrenzten.

Dank der Zunahme bei den Neuaufträgen stellen auch die britischen Bauunternehmen mehr Leute ein, auch wenn der Optimismus der Unternehmen hinsichtlich der Wachstumsaussichten für das kommende Jahr nachgelassen hat.

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