Deutschlands riesiger Infrastrukturfonds könnte bessere Zeiten bedeuten. Aber hier ist, warum er noch nicht beschlossene Sache ist

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Tim-Oliver Müller, Geschäftsführer der Bauindustrie Tim-Oliver Müller, Geschäftsführer der Bauindustrie (Bild: Bollhorst/HDB)

Die neue deutsche Koalitionsregierung treibt einen schlagzeilenträchtigen Infrastrukturfonds in Höhe von 500 Milliarden Euro voran, der der Bauwirtschaft nach Jahren der Flaute wieder bessere Zeiten bescheren könnte. Im Interview mit Construction Briefing erklärt Tim-Oliver Müller, Geschäftsführer des Bauindustrieverbands, dass zunächst einige wichtige Dinge passieren müssen.

Die letzten Jahre waren für die Bauwirtschaft in Deutschland schmerzhaft.

Der russische Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 löste eine Kette von Ereignissen aus, die den Wohnungsbaumarkt zum Einbruch brachten. Die Inflation stieg sprunghaft an, da das Land, das zu stark von russischem Gas abhängig war, in eine Energiekrise geriet.

Dies wiederum trieb die Zinsen in die Höhe. Gleichzeitig wurden die Lieferketten im Baugewerbe unterbrochen, da sich herausstellte, dass die Branche auf kritische Ressourcen wie Holz und Bauteile, darunter Schrauben, aus der Ukraine und Rohöl aus Russland zur Herstellung von Bitumen für die Asphaltproduktion angewiesen war.

Allein im Jahr 2023 habe Deutschland im Wohnungsbau einen Rückgang von 11 Prozent hinnehmen müssen, erklärt Tim-Oliver Müller, Geschäftsführer des Bauindustrieverbands.

Seine Organisation vertritt rund 2.700 mittelständische und große Bauunternehmen Deutschlands, die zusammen rund 80 Milliarden Euro des jährlichen Bauumsatzes von 165 Milliarden Euro erwirtschaften.

Der Zusammenbruch der deutschen Ampelkoalition unter dem scheidenden Bundeskanzler Olaf Scholz Ende 2024 hat die Lage nicht verbessert, da öffentliche Ausschreibungen lahmgelegt wurden, während die Politiker des Landes über die Bildung einer neuen Regierung verhandelten.

Kommen bessere Zeiten?

Doch die Bauindustrie wies Anfang des Monats darauf hin, dass der Wohnungsmarkt in Deutschland endlich die Talsohle erreicht haben könnte. Die Genehmigungen für mehrgeschossige Wohnbauprojekte haben sich nach einem kontinuierlichen Rückgang seit 2022 zu Jahresbeginn endlich auf niedrigem Niveau stabilisiert.

Und weitere potenziell positive Nachrichten sind in Form eines geplanten 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturfonds eingetroffen, den die neue deutsche Koalitionsregierung vorantreibt. Friedrich Merz wird im Mai Bundeskanzler. Merz bezeichnete den Plan zur Lockerung der Regeln für Staatsverschuldung als Möglichkeit, der russischen Aggression entgegenzuwirken und Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit in einem zunehmend turbulenten internationalen Umfeld zu stärken.

Die Nachricht über den Fonds wurde mit Begeisterung aufgenommen und gilt als Segen für die schwächelnde Baubranche.

Doch Müller betont gegenüber Construction Briefing , dass es sich bei dem Fonds zum jetzigen Zeitpunkt noch lediglich um eine „Absichtserklärung“ handele.

Die Theodor-Heuss-Brücke aus den 1960er Jahren in Essen wird einer externen Vorspannung unterzogen, um ihre Lebensdauer um 15 Jahre zu verlängern. (Bild: Neil Gerrard)

„Viele Journalisten fragen uns jetzt: 500 Milliarden Euro werden für die Infrastruktur ausgegeben. Investieren wir in neues Personal, neue Maschinen und so weiter? Wir sagen immer Nein, denn es ist eine Absichtserklärung“, sagt er.

Um das Geld in die Bauprojekte fließen zu lassen, muss die Regierung zunächst ein Bundesgesetz erlassen.

Und um den Fonds so effektiv wie möglich zu machen, müssten zunächst einige Dinge geschehen, und zwar schnell, erklärt er.

Derzeit ist noch unklar, wofür das Geld genau ausgegeben wird. „Damit die Politik objektiv entscheiden kann, welches Geld in welchen Sektor fließt, fordern wir, dass alle öffentlichen Auftraggeber – sei es die Deutsche Bahn oder die Autobahn AG – einen transparenten Bericht über den Zustand ihrer Infrastruktur vorlegen, aufgeschlüsselt nach den 16 Bundesländern“, sagt er.

Entscheidend ist, dass die öffentlichen Auftraggeber vor der Mittelvergabe genau festlegen, in welchem Stadium sich die von ihnen vorgeschlagenen Projekte befinden. „Haben sie genügend Projekte in der Schublade, die für eine öffentliche Ausschreibung bereit sind? Oder müssen sie die nächsten zwei bis drei Jahre mit der Planung verbringen?“

Trifft Letzteres zu, könnte das ein Problem darstellen, denn Müller argumentiert, das deutsche Planungssystem sei noch immer zu langsam. Bei manchen Großprojekten dauere es ein Jahrzehnt oder länger, bis der Spatenstich erfolgt.

„Das Planungssystem muss Priorität haben“, sagt Müller. „Wir meinen, die Auseinandersetzung damit muss Teil eines 100-Tage-Programms für die neue Regierung sein.“

Und obwohl 500 Milliarden Euro nach einer riesigen Summe klingen, ist es auf zwölf Jahre verteilt tatsächlich weniger, als es zunächst den Anschein macht. Deshalb sei es für die Regierung von entscheidender Bedeutung, Prioritäten zu setzen und das Budget sorgfältig zu verteilen, fügt er hinzu.

Eine wichtige Rolle

Müller, die Bauindustrie und ihre Mitglieder betonen unterdessen weiterhin die Bedeutung des Baugewerbes für die deutsche Wirtschaft. Er ist der Meinung, dass die Politik für diese Botschaft heute empfänglicher sei als lange zuvor.

Das liege zum Teil daran, dass ihnen der marode Zustand der Infrastruktur des Landes bewusst geworden sei, behauptet er.

„Als ich aufwuchs und auch als ich diesen Job anfing, hätte ich nicht geglaubt, dass in Deutschland eine Brücke einstürzen könnte“, sagt Müller. „Aber genau das ist in Dresden passiert, und wir hatten Glück, dass der letzte Zug des Tages die Brücke nur 18 Minuten vor dem Einsturz überquerte.“

„Ein paar Monate zuvor mussten große Brücken im deutschen Autobahnnetz gesperrt werden, was zu erheblichen Verkehrsproblemen führte“, fügt er hinzu.

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Er äußert sich auch vernichtend über die Eisenbahn des Landes, wo die einst berühmte deutsche Pünktlichkeit häufigen Verspätungen gewichen sei.

Das Positive daran sei jedoch, dass die Politik erkannt habe, dass die deutsche Infrastruktur einer langfristigen Strategie bedarf, sagt er.

Dies wurde nur durch die veränderten internationalen Beziehungen verstärkt. So führte US-Präsident Donald Trump kürzlich Strafzölle auf Importe für Länder ein (und setzte sie wieder aus), die mehr in die USA exportieren als sie aus den USA importieren. „Das deutsche Geschäftsmodell war jahrelang auf Exporte angewiesen. Doch aufgrund von Trump und Putin funktioniert es nicht mehr so erfolgreich, wie wir es uns alle wünschen. Deshalb sucht die Regierung nach Alternativen, um die deutsche Wirtschaft von innen heraus anzukurbeln.“

Diese Situation kommt der deutschen Bauwirtschaft zugute. „Wir wissen, dass wir einen Multiplikatoreffekt haben: Jeder Euro, der im Bauwesen investiert wird, vervielfacht sich im privaten Sektor um das 2,5-Fache. Wir wissen, dass wir unseren Standortvorteil verlieren, wenn wir nicht in die Infrastruktur investieren. Aber auch als wichtiges NATO-Land würden wir im Falle einer Krise in Osteuropa die meisten NATO-Truppen in Deutschland versammeln, was ein weiterer Grund für massive Investitionen in die Infrastruktur ist.“

Abbruchtrupps bei der Arbeit an der Slaughterhouse Bridge Abbruchtrupps auf der Autobahnbrücke der A40 zwischen Bochum Westkreuz und Bochum-Harpen, die kürzlich gesperrt und abgerissen werden musste. (FOTO: Autobahn Westfalen)
Zölle – geringe direkte, aber größere indirekte Wirkung

Müller glaubt nicht, dass Trumps Zölle große direkte Auswirkungen auf die deutsche Bauwirtschaft haben werden. Denn die meisten Rohstoffe, die in der Branche verwendet werden, kommen direkt aus Deutschland oder von europäischen Partnern.

Die indirekten Auswirkungen, da Unternehmen angesichts der Handelshemmnisse Investitionen und Bauprojekte zurückfahren, könnten jedoch weitaus schwerwiegender sein. „Wir sehen, dass Großprojekte wie die neue Intel-Chipfabrik [die für Magdeburg geplant, aber um mindestens zwei Jahre verschoben wurde] auf Eis liegen. Wir haben also indirekte Auswirkungen. Jüngste Prognosen zeigen, dass der wirtschaftliche Schaden durch Zölle für Deutschland in den nächsten vier Jahren 200 Milliarden Euro betragen könnte.“

Vorsichtiger Optimismus für die Zukunft

Dennoch sei die Stimmung in der deutschen Bauwirtschaft laut Müller derzeit positiver als zu Jahresbeginn, da es Anzeichen dafür gebe, dass die Branche ihre fünfjährige Rezession überwinde.

„Wir sehen positive Auswirkungen nicht nur durch diesen neuen Infrastrukturfonds, sondern auch dadurch, dass er zusätzlich zu den üblichen Investitionen im Staatshaushalt erfolgen soll“, sagt er.

Wir müssen den Druck hier enorm aufrechterhalten. Wenn es so klappt wie erhofft, werden unsere Prognosen noch optimistischer ausfallen als heute. Denn zum ersten Mal scheint die Bundesregierung erkannt zu haben, wie wichtig die Bauwirtschaft ist – nicht nur für den Wohnungsbau und die soziale Entwicklung, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung.“

Ein deutlicher Anstieg der Baueinnahmen werde es in diesem Jahr zwar nicht geben, könne aber ab 2026 einsetzen, vermutet er. Er rät den deutschen Bauunternehmen, in der Zwischenzeit keine Fachkräfte zu entlassen, um die Kapazitäten für den erwarteten Aufschwung zu haben.

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